Kommentare Betroffener zum Aufklärungsbericht

Sehr geehrte Frau Dr.Baums-Stammberger,
für Ihren Hinweis auf den Abschlussbericht danke ich Ihnen. – Ich habe zwei Tage kaum etwas anderes getan, als ihn aufmerksam zu lesen.
Dieser Bericht ist ein ganz hervorragendes Beispiel engagierter, sowohl wissenschaftlich als auch menschlich fundierter Aufklärungsarbeit. Was schmerzlich anzumerken wäre, aber keinesfalls als Kritik an Ihrer Arbeit zu verstehen ist: Diese Aufklärungsarbeit kommt zu spät; sie kommt um Jahrzehnte zu spät!
Was mich besonders entsetzt, ist die nachgewiesene Tatsache, dass die Übelstände bis in die 80er Jahre andauerten. Ich selbst war ja “nur” von September 1956 bis Ostern 1960 dieser Art Heimerziehung ausgesetzt…….
Eine Dimension Ihrer Aufklärungsarbeit fehlt mir; gleichwohl kann ich natürlich nachvollziehen, dass hier eine Grenze der Erfassbarkeit kaum zu überwinden gewesen wäre: Was haben die Heimerfahrungen der Betroffenen mit deren Kindern gemacht? Wie haben sich diese zum Teil traumatisierenden Erlebnisse auf die späteren Familien und die in ihnen stattfindenden Erziehungseinstellungen, Erziehungsleistungen und Erziehungserfolge ausgewirkt? – Es hat sicherlich seine Bedeutsamkeit und seine Begründung, warum mich meine ältere Tochter nachgerade gezwungen hat, mich Ihrem Interview zu stellen. Und nachdem ich Ihren Bericht gelesen habe, bin ich ihr dankbar dafür.
Mit freundlichem Gruß,

Hin und wieder habe ich die zum Teil leider sehr negativen Reaktionen der Opfervertreter bzw. deren Sprechers auf den durch Sie und Herrn Prof. Dr. Hafeneger erstellten Bericht verfolgt. Die öffentlichen Erklärungen und Aufrufe dieses Sprechers haben mich mit ihrer Aggressivität und Unerbittlichkeit erschüttert. Auch als Betroffener, der selbst erhebliches Leid erfahren musste, kann ich diese Härte nur schwer verstehen. Wenn nun im Internet wenige Tage vor dem Treffen zur Eskalation, zur „Verschärfung des Tons“ aufgerufen und zugleich die bisherige Aufklärungsarbeit sinngemäß zur Makulatur erklärt wird, dann ist das für mich ganz und gar nicht mehr nachvollziehbar…. Deshalb möchte ich Ihnen auf diesem Weg noch einmal danken. Ich bin mir sicher, dass Sie im Rahmen des Möglichen gemeinsam mit Ihren Mitstreitern eine sehr gute Arbeit geleistet haben. Für mich war von vornherein selbstverständlich, dass materielle Leistungen das erlittene Leid niemals wirklich ausgleichen können. Welcher Mensch sollte das denn jemals gerecht beziffern können? Jedoch wurden die Opfer im Laufe des Aufklärungsprozesses ernst genommen. Es wurde uns geglaubt: Für mich der wichtigste Punkt überhaupt! Und für mich persönlich war es auch ein wichtiger Schritt, überhaupt den Mut und die Stimme zu finden, darüber zu sprechen. …..Aber die Hoffnung, dass das, was man als Opfer zu berichten hat, auch eine dauerhafte Wirkung entfalten kann, auf dass sich derartige Taten nicht wiederholen, hat dem Ganzen auch einen wichtigen, übergeordneten Sinn gegeben.

Und ich glaube auch den Verantwortlichen der Brüdergemeinde, dass die Ergebnisse der Aufklärung sie aufgerüttelt und verändert hat, dass sie künftig alles dafür tun wollen, damit Ähnliches nicht noch einmal geschehen kann. Auch dies ist ein großer Erfolg. Nicht zuletzt: Ich bin persönlich sehr froh über die Entschuldigung der Brüdergemeinde und glaube auch, dass sie, wie Herr Andersen formulierte, von Herzen kommt.

Herzliche Grüße,

Natürlich verfolge ich als Betroffener auch die Berichterstattung über die Aufklärung in Korntal, und da finde ich manches doch recht bedenklich. Dass die Beiträge des sog. „Opfervertreters“ (wer hat Herrn Z. eigentlich dazu legitimiert?) in sozialen Medien ganz offensichtlich nur noch von Hass und Rache getrieben sind – naja, das muss man zumindest dort nicht ernst nehmen. Zumal, wenn er aktuell versucht, die Auseinandersetzung auf eine besonders schmuddelige Ebene zu ziehen. Zitat von heute auf Facebook: „Wie sieht es innerhalb der Brüdergemeinde Korntal mit der familiären Missbrauchskultur aus?“ Es ist ja Herrn Z´s Angelegenheit, wenn er sich in strafrechtlich relevante Bereiche begibt, wenn er zum Beispiel zulässt, dass auf seiner Facebook-Seite die Brüdergemeinde als „Kackhaufen“ bezeichnet wird. Aber mein Opfervertreter ist er damit ganz sicher nicht! Und … bin ich der Ansicht, dass solche Informanten nur mit größtmöglicher professioneller Distanz gehandhabt werden sollten.

Manches erscheint mir noch der genaueren Betrachtung wert.

1. Es wird jetzt stellenweise behauptet, für die Brüdergemeinde sei die Aufklärung nun abgeschlossen. Allerdings wurde doch erklärt, die Aufklärung gehe weiter bis mindestens Juni 2020, und es könnten sich auch Betroffene, die schon einmal mit der Aufklärerin sprachen, erneut melden und ihre Berichte ergänzen. Gegebenenfalls werde dann der Bericht der Aufklärer um diese Daten ergänzt. Trifft das denn nun nicht mehr zu?

2. Wenn Frau B. zitiert wird, es hätten „zeitweise … bis zu 20 Betroffene an der Demonstration teilgenommen“, dann bedeutet das logischerweise vor allem, dass von insgesamt bisher etwa 120 Betroffenen, die sich bei der Aufklärerin meldeten, etwa 100 eben nicht an der Demonstration teilnahmen. Und selbst wenn man die angebliche Zahl der Demonstranten – die sich zumindest auf Fotos nicht verifizieren lässt – nur zu den 45 Teilnehmern des Treffens am vergangenen Sonntag ins Verhältnis setzt, so steht selbst dann ganz offensichtlich die Mehrheit nicht demonstrativ hinter den Forderungen dieser Gruppe, unter anderem eine weitergehende, staatliche Aufklärung vorzunehmen (wie immer das überhaupt funktionieren soll – die Staatsanwaltschaft jedenfalls wird angesichts längst verjährter Taten und verstorbener Täter(innen) wohl kaum noch ein Verfahren aufnehmen).

3. Es ist m.E. unlauter, wenn die Brüdergemeinde vom sog. Opfervertreter ständig als „Täterorganisation“ o.ä. bezeichnet wird. Das suggeriert nämlich, dass die Menschen dieser Gemeinde auch heute noch hinter den Misshandlungen und Missbräuchen stünden. Das aber wird kein vernünftiger Mensch ernsthaft behaupten – außer Herrn Z., siehe obiges Zitat zur neuerdings vermuteten „familiären Missbrauchskultur“ innerhalb der heutigen Brüdergemeinde. Für mein Empfinden haben sich die Vertreter der Brüdergemeinde in jeder Hinsicht und sehr deutlich von dem damaligen Geschehen und dem Geist, der damals herrschte, distanziert, und ich nehme ihnen auch ab, dass sie sich für die Taten der damaligen Menschen zutiefst schämen und sich dafür entschuldigen.

4. Ich finde, dass das Aufklärer-Team um Richterin a.D. Dr. Baums-Stammberger im Rahmen des Möglichen eine sehr gute Arbeit geleistet hat. Man kann meiner Meinung nach nicht ernsthaft erwarten, dass eine so gewaltige Aufgabe nach vielen Jahrzehnten vergangener Zeit für jeden zufriedenstellend und vollkommen fehlerfrei erledigt wird. Es ist aber, so finde ich, schlicht unfair, wenn denjenigen, die sich dieser Aufgabe gestellt haben, dumpfe Kumpanei unterstellt wird oder indem behauptet wird, die Aufklärung habe „von innen heraus“ stattgefunden. Das lässt sich für mein Empfinden aus dem Bericht an keiner einzigen Stelle herauslesen. Ich bin auch nach meinen persönlichen Gesprächen mit ihr davon überzeugt, dass man Frau Baums-Stammberger mit solch perfiden Unterstellungen in höchstem Maße Unrecht tut!

5. Nicht zuletzt: Es kann durchaus auch im Interesse Betroffener sein, endlich einen Abschluss zu finden. Denn es ist sicher nicht jedem recht, sich wieder und wieder und ohne absehbares Ende der Gefahr von Retraumatisierungen auszusetzen. Ich bin mir sicher, dass längst nicht jeder die Aufklärung und den Kampf darum zu seinem hauptsächlichen Lebensinhalt machen will. Ein Kampf, der sämtliche noch verbleibenden Lebensjahre dominieren würde, tags und vermutlich auch oft noch nachts!

Übrigens wollte ich eigentlich am Opfertreffen teilnehmen. Ich bin dann aber doch zuhause geblieben und habe Frau Dr. Baums-Stammberger u.a. dieses geschrieben: „Hin und wieder habe ich die zum Teil leider sehr negativen Reaktionen der Opfervertreter bzw. deren Sprechers auf den durch Sie und Herrn Prof. Dr. Hafeneger erstellten Bericht verfolgt. Die öffentlichen Erklärungen und Aufrufe dieses Sprechers haben mich mit ihrer Aggressivität und Unerbittlichkeit erschüttert. Wenn nun im Internet wenige Tage vor dem Treffen zur Eskalation, zur „Verschärfung des Tons“ aufgerufen und zugleich die bisherige Aufklärungsarbeit sinngemäß zur Makulatur erklärt wird, dann ist das für mich ganz und gar nicht mehr nachvollziehbar.“

…. Von Herrn Z. allerdings fühle ich mich nicht „vertreten“. Und ich bin mir sicher, dass es vielen anderen Betroffenen ähnlich geht, ungeachtet der immer wieder betonten Tatsache, dass Herr Z. als Erster an die Öffentlichkeit ging. Das ist sicher ein gewisser Verdienst, legitimiert aber noch lange nicht seinen Vertretungsanspruch für einen schier endlosen Rachefeldzug. Und wir wissen es ja auch aus anderen Bereichen der journalistischen Berichterstattung: Es sind nicht unbedingt die im Recht, die ständig und am lautesten schreien!

Herzliche Grüße,