Was heißt Aufarbeitung?

Nachdem vor einigen Jahren öffentlich wurde, dass in den Kinderheimen der Evangelischen

Brüdergemeinde Korntal zahlreiche Heimkinder physisch und psychisch misshandelt und sexuell missbraucht worden waren, werden die Vorgänge von 1949 bis in die 80er Jahre nun von unabhängigen Fachleuten aufgearbeitet.

Aufklärung: Zunächst geht es  darum zu klären, was geschehen ist, wie es geschehen konnte und wer die Verantwortung trägt. Dies geht nur mit großer Unterstützung der ehemaligen Heimkinder.

Alle ehemaligen Heimkinder wurden und werden daher aufgefordert, ihre Verletzungen, ihre Erfahrungen und ihr Leid in einem Interview mit der unabhängigen Aufklärerin Dr. Brigitte Baums-Stammberger zu schildern. Die Interviews dienen als Basis für eine sozialwissenschaftliche Analyse der Vorgänge, die von dem unabhängigen Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Benno Hafeneger durchgeführt wird.

Anerkennung: Darüber hinaus hat die Evangelische Brüdergemeinde Korntal entschieden die Vorfälle aufzuklären und das Leid der Betroffenen anzuerkennen. Die Anerkennung des Leides soll nicht nur durch Worte, sondern auch durch eine finanzielle Anerkennungsleistung erfolgen.

Dokumentation: Am Ende soll eine Dokumentation der Ergebnisse der Aufarbeitung veröffentlicht werden. Die Dokumentation soll zeigen, was die Betroffenen erleiden mussten und wer dafür die Verantwortung trägt.

Zum Vorgehen:

Die Gespräche mit den Betroffenen werden von Frau Dr. Brigitte Baums-Stammberger geführt. Sie ist über 30 Jahre als Richterin tätig gewesen und hat in dieser Zeit in Gerichtsprozessen den Vorsitz in zahllosen Verfahren, in denen es um physische, psychische und sexualisierte Gewalt ging, geführt.

Damit den Betroffenen die Meldung möglich ist, hat die Aufklärerin eine eigene Email-Adresse, ein Postfach und eine Mobilnummer mit festen Sprechzeiten eingerichtet.

Sie können sich jederzeit melden:

Per Mail an: Aufklaerung.korntal@gmx.de, telefonisch unter : 0174/7121108

Sprechzeiten: mittwochs 16 bis 18 Uhr, freitags 18 bis 19 Uhr.
Wenn die Betroffenen außerhalb der Sprechzeiten anrufen, wird die Aufklärerin sie zurückrufen.

Die Gespräche finden in einem geschützten Besprechungsraum in einem Stuttgarter Hotel statt, die Aufklärerin sucht die Betroffenen aber auch an ihrem Wohnort auf, wenn ihnen die Anreise nicht möglich ist. Eine Begleitung durch eine Vertrauensperson oder auch durch einen Psychotherapeuten nach Wahl des Betroffenen ist möglich.

Im Gespräch stellt sich die Aufklärerin zunächst selbst vor, sie nimmt die Personalien auf. Diese Daten werden nur ihr bekannt und von ihr nicht weitergegeben. Vielmehr erhält jeder Vorgang eine neutrale Nummer, die Verbindung zwischen der Nummer und dem Namen des Betroffenen kann nur die Aufklärerin ziehen. Im anschließenden Gespräch wird der Betroffene ermuntert, frei seine Erinnerungen zu schildern. Ist der Betroffene damit einverstanden, wird das Gespräch aufgezeichnet. Dies dient lediglich als Erinnerungsstütze für die Aufklärerin. Das Gespräch kann aber auch bei Zweifeln der Vergabekommission vorgespielt werden. Der Name des Betroffenen wird im Gespräch nicht mehr erwähnt, solange das Band läuft.

Im Anschluss an das Gespräch kann der Betroffene einen Antrag auf eine Anerkennungsleistung stellen, diese wird von der Vergabekommission festgesetzt.

Aus dem Gesprächsinhalt fertigt die Aufklärerin – ohne den Namen des Betroffenen, nur unter der ausgegebenen Nummer – einen Vermerk, der dem Aufklärer Prof. Dr. Hafeneger und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter  Andre Morgenstern-Einenkel zugeleitet wird. Herr Morgenstern-Einenkel ordnet die Angaben statistisch ein unter Benutzung der anerkannten Software MAXQDA.

In den Bericht werden Geburtsdatum und Geschlecht sowie die Heimdaten des Betroffenen aufgenommen, ferner die Verhältnisse in der Herkunftsfamilie und die berufliche, soziale und gesundheitliche Entwicklung nach dem Ende der Heimzeit, soweit der Betroffene darüber Auskunft geben will.

Erteilt der Betroffene sein Einverständnis, gleicht die Aufklärerin die Daten mit den Heimakten des Betroffenen im Landeskirchlichen Archiv ab, sofern sie noch vorhanden sind.

Nach Abschluss des Verfahrens werden die Aufzeichnungen und die Klarnamen der Betroffenen beim Archiv der evangelischen Landeskirche aufbewahrt und können nur unter den strengen Regeln des Archivgesetzes eingesehen werden.

Die Vergabekommission besteht aus drei Mitgliedern aus den Bereichen Recht, Sozialwesen, Heimerziehung und Psychotherapie. Zum Schutz der Mitglieder der Kommission wollen diese anonym bleiben, nicht anonym ist lediglich die Aufklärerin, die Mitglied der Kommission ist. Den Kommissionsmitgliedern werden die Namen der Betroffenen nicht bekannt gegeben, sie erhalten lediglich die anonymisierten Berichte, die die Aufklärerin erstellt hat. Diese Kommission entscheidet darüber, in welcher Höhe die Betroffenen jeweils eine Anerkennungsleistung für das erlittene Leid erhalten.

Für die sozialwissenschaftliche Untersuchung, die Prof. Dr. Hafeneger vornimmt, sind die Berichte grundlegend. Ohne die Schilderungen der Betroffenen kann nicht festgestellt werden, welches Unrecht in den Heimen der Evangelischen Brüdergemeinde wann, von wem und in welchem Ausmaß geschehen ist.

Wir bitten daher alle ehemaligen Heimkinder, die noch nicht mit Frau Dr. Baums-Stammberger gesprochen haben, sich zu melden, damit das Leid der Betroffenen gewürdigt werden kann.